Die seltene Bestie
Vor ein paar Wochen habe ich das Lotto gewonnen. Naja, eigentlich nicht, aber es kam mir so vor als das Telefon klingelte und der Gesprächspartner mir berichtete, daß ich einen Ford mit “vielen Flügeln und Spoilern” zum Testen bekomme. Ich wußte sofort wovon die Rede war, deshalb dachte ich mir sofort “Sechs Richtige!”
Der Ford Focus RS ist so begehrenswert und selten, daß selbst Journalisten Bitten und Betteln mußten um ein Exemplar zwischen die Finger zu bekommen. Mein weißer Pressewagen hat mich zwar nur für zwei Tage besucht, doch ich denke ich habe das Beste ‘draus gemacht.
Ford Südafrika importierte nur 60 Stück in drei Farben; Frozen White (Erfrohrenes Weiß), Performance Blue (Leistungs Blau), und Ultimate Green (Ultimatives Grün) zum stolzen Kaufpreis von N$479 000. Jedoch vordem die Broschüren gedruckt wurden, waren alle sechzig Fahrzeuge weg. Ausverkauft. Nix mehr.
Eine klare Bestätigung, daß es in einem immer weicherem Automarkt noch Platz gibt für ein total durchgedrehtes Stufenheck-Monster. Selbst wenn man seine stolze RS (Rally Sport) Herkunft übersieht, reisst dieser Focus sofort alle Blicke an sich.
Er teilt die Geschmäcker wie ein Lumina SS aber dreht die Lautstärke bis elf. Konkurenten und Kritiker sind ebenso sprachlos wie verbiestert, während seine Fans über Ihren (oder einander’s) Speichel rutschen um die Speicher Ihrer Handy’s zu füllen.
Eine Focus RS Fanatikerin gab meinem Testwagen zärtliche Streicheleinheiten und begründete daß Sie “den Wagen einfach nur anfassen muß.” Na toll. Ein geparkter RS belohnt seinen Fahrer mit dutzenden neuen Freunden. Ein fahrender RS belohnt seinen Fahrer mit dutzenden neuen Feinden.
Der Grund für dieses Aufsehen ist bestimmt das Klappsmühlen-Design des Ford. Riesige Lufteinlässe in der vorderen Stoßstange treffen auf schwarze Nebelleuchten, Kühlerhaubenschächte, seitliche (und unechte) Luftauslässe, protzige 19-Zoll Felgen, einen gigantischen Dachflügel, verdunkelte Scheiben und einen großen Diffuser mit zwei Ofenrohren als Auspüffe.
Damit weitere Verwechselung vermieden wird, hat der 263km/h Focus an jeder Ecke ein RS Abzeichen und mehrere in seiner sportlichen Kabine. Die dünnen Recaro Schalensitze sind sehr gemütlich aber lassen sich nicht für Höhe verstellen und behindern den Eintritt ins Fond des Wagens. Niemand störte sich aber daran.
Das Armaturenbrett hat Kohlefaser-ähnliche und silberne Akzente, die sich in den Instrumenten wiederspiegeln. Es gibt auch ein Kombi-instrument für Oeltemperatur, Oeldruck, und Turbodruck. RS hat auch Airbags, Alarm, Wegfahrsperre, Sprachbedienung, ABS, EBD, ESP und viele andere, sehr langweilige Sachen.
Das Knopf-lose Steuerrad ist verstellbar und der SONY Radio/multi-CD/USB/Bluetooth Hifi liefert guten Klang, der auch durch einen extra Hebel an der Steuerstange bedient werden kann. Der RS bietet Ihnen auch schlüssellosen Zugang und einen gut benannten “Ford Power” Startknopf.
Kurz draufgedrückt und der Duratec 2.5-Liter Turbo Fünfzylinder erwacht mit seinem bekannten Brummeln. Er produziert 224kW (305PS) bei 6 500 U/Min oder 440Nm ab 2 300 U/Min. Die brachiale Kraft wird durch ein sechs Gang Schaltgetriebe und ein enorm cleveres Quaife Differential an die Vorderräder geschickt.
Aufgeregt über die Vorstellung, einen 300PS Vorderradantriebler zu Fahren, schaffte ich es sofort den Motor abzuwürgen. Warscheinlich Nerven. Aber seine Kupplung greift tief unten und ist sehr leicht gefedert; die knackige Gangschaltung gab mir keine Probleme und Rückmeldung von der harten Steuerung war ausgezeichnet.
Der härteste Teil des RS Besitz ist, wörtlich, die Federung. Obwohl sie ihr Bestes versucht um Bodenwellen und Schlaglöcher zu verstecken, freuen sich die steinharten Federn und 35-er Profil Gummis auf den Titel “Ungemütlichstes Auto 2010”.
Das störte aber die Wenigsten. Viel wichtiger für Pilot und kreidebleiche Passagiere waren die verrückten Geräusche, die ein Focus RS von sich gibt. Er bewegt sich einigermaßen ruhig bis man das Gaspedal durchtritt; dann ertönt ein tiefes Brummeln und ein furchterregendes Turbo-Pfeifen. Schnell Gas wegnehmen und der Turbo faucht böse, begleitet vom Knallen und Bollern der Auspuffrohre.
Der bekloppte Ford ist aber sehr gehorsam wenn man ihn anständig bedient. Er saust haargenau und flach durch die Kurven, reagiert sofort auf gewünschte Richtungswechsel, bremmst als ob man drei Anker hat fallen lassen, und wird erst ungezogen wenn Vollgas auf langsame Geschwindigkeiten trifft.
Mein bester GPS 0-100km/h Sprint war 5.7 Sekunden, 0.2 schneller als Ford’s Daten und frecherweise im Gebiet der V8 Sport / Luxus Schlitten. 400m fielen in nur 13.6 Sekunden. Ich versuchte noch einen Sprint ohne Antriebsschlupfregelung, aber der endete nur in einer riesigen Rauchwolke und einem Subaru Impreza WRX in meinem Rückspiegel.
Der Focus RS ist genau so gut zu Fahren, wie Sie sich ihn grade vorstellen. Warscheinlich besser. Er geht ab wie Schmitz’ Katze, klingt erschreckend, greift gerne Genickmuskeln an und verdoppelt Ihren Freundeskreis.
Danke, Ford. Vielen, vielen Dank, daß Ihr diese betörende Bestie gebaut habt, obwohl sie furchtbar teuer und ziemlich ausverkauft ist.
Leistung
0-10km/h: 0.5s
0-20km/h: 0.9s
0-30km/h: 1.4s
0-40km/h: 2.0s
0-50km/h: 2.6s
0-60km/h: 3.2s
0-70km/h: 3.7s
0-80km/h: 4.4s
0-90km/h: 5.1s
0-100km/h: 5.7s
0-110km/h: 7.0s
0-120km/h: 7.8s
0-130km/h: 8.8s
0-140km/h: 9.6s
0-100m: 5.8s / 101.5km/h
0-200m: 8.8s / 129.6km/h
0-300m: 11.3s / 146.8km/h
0-400m: 13.6s / 161.5km/h
0-60mph: 5.4s
1/4mile: 13.6s @ 100.5mph (161.8km/h)
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Temp: 20°C
Klima: Sonnig, kein Wind
Höhe: 102mStraße: Trockener Asphalt, grade
Besatzung: Fahrer, kein(e) Beifahrer
Tankfüllung: 1/3
Kilometerstand: 8 050km