Testfahrt: Mercedes-Benz G350 BlueTEC

Die veralterte Trophäe

Darf ich vorstellen: die Verkörperung der Wörter “Legende”, “Antiquität” und “Teuer”. Ich war schon lange nicht mehr so aufgeregt über einen Testwagen, und habe noch nie solche lebendigen Reaktionen miterlebt wie mit dem Mercedes-Benz G350 BlueTEC.

Nicht zu verwechseln mit der extra-großen GL-Klasse, ist der Geh was meine Cousine einen “originalen Gangster” nennen würde. Der Geländewagen wurde bekanntlich für Militäranwendungen gebaut und 1979 an die begeisterte Publik vorgestellt.

Kantige Linien, robuste Konstruktion, Leiterrahmen, Geländegänge und drei Differenzialsperren brachten ihm legendären Status und sogar einen Dakar Rally Erfolg. Ein paar Exemplare schafften es über die Jahre nach Namibia, doch Mercedes-Benz S.A. hat den G-Wagen vor kurzem offiziel vorgestellt – 32 Jahre nach seiner Geburt.

Die Reaktionen, die ein G-Fahrer erlebt, sprechen deutlich von den drei Jahrzehnten Abwesendheit – die meisten Betrachter sind vom Stern verwirrt. “Das is ein Mercedes?!?” “Der is aber alt. Und eckig!” Ein kleiner Teil der Gruppe fügt sich der Promi-Kundschaft zu: “Dat is das coolste Auto der Welt!”

Obwohl es den G örtlich nur mit fünf Türen, zwei Ausstattungen und drei Motoren gibt, sind diese wenigstens sehr unterschiedlich. Zuerst kommt der rustikale G300CDI Professional, dann kommt dieser G350 BlueTEC, und hinterher strampelt der G55 AMG in seiner Zwangsjacke.

Gut, nun zu den Preisen. Vielleicht wollen Sie sich setzen. Da viele Leute beim Lesen schon Sizten, rate ich Ihnen stark an, aufzustehen und sich wieder zu setzten. Wiederholen Sie so oft wie nötig. Der G300CDI kostet N$789,979, dieser G350 kostet N$1,242,274 und ein G55 benötigt knappe N$1,897,159.

Ich hatte Sie gewarnt – dieser Spaß ist teuer. Jede Preisnachfrage brachte unserem Testwagen einen dampfenden Haufen Kritik und Ablehnung, meist garniert mit den Namen besserer Fahrzeuge in dieser Preisklasse. Mann nehme eher Cayenne, Range Rover und Konsorten.

Leider denke ich, daß diese Kritiker einigermaßen blöde und kurzsichtig waren; die einzige Hoffnung kam von einem guten Freund und Bankfachmann. Er, genau wie seine reiche Kundschaft, ignorierte den Preis und sah den G350 ganz richtig: als eine Trophäe. Ein Statussymbol. Ein drittes Auto für Ihre Ferienvilla.

Ein Mangel an Leder wurde schnell vergessen und die legendäre Form umarmt. Hier sind noch ein paar Eigenschaften, die ein Mercedes Geländewagen nicht besitzt: Aerodynamik, Knautschzonen, Straßenlage, Getränkehälter, Eleganz.

In diesem Modell wurde die veralterte Form auf Herr und Frau Millionär’s Erwartungen gebracht mit automatischen Bi-Xenon Scheinwerfern, Navi, 6-DVD Wechsler, harmon kardon Anlage, Bluetooth, Sonnendach, Tempomat, Rückfahrkamera, Airbags, ESP, ABS, BAS unsw.

Das SL/CLK Holz und Leder Steuerrad ist elektrisch verstellbar (genau wie Fenster und Aussenspiegel) und bietet Knöpfe für Klang und den umfassenden Bordcomputer, der zwischen den Instrumenten der vorigen C-Klasse sitzt.

Die Sitzposition ist sehr aufrecht und bietet genügend Platz; die restliche Kabine wird durch Leder, Holz und Chromeinlagen etwas aufgeheitert. Hintere Beinfreiheit ist nicht besonders aber der Kofferraum, also die einfache Ladefläche wird gerne schwere und schmutzige Ladungen tragen.

Antrieb im G350 BlueTEC ist der bekannte Mercedes 3-liter Bi-Turbo V6 Diesel (155kW/211hp/540Nm), der 100km/h in 8.8 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 175km/h durch das geschmeidige 7-Gang Automatikgetriebe mit Tip-funktion erreicht.

Durchschnittsverbrauch liegt bei 11.2L/100km und verspricht eine 850km Reichweite vom gigantischen 95L Tank, obwohl Stadtverkehr diese Werte gerne zerstört. Enge Straßen verpetzen auch die schwerfällige Straßenlage, noch härtere Steuerung und erschreckend harte Federung des Wagens.

Schnelle Kurven und Bremsmanöver sind nicht auf heutigem Niveau; dafür ausgezeichnet für ein Souvenir aus den Siebzigern. Das ESP tritt sanfte in den Raum und versucht sein Bestes wenn der Dicke quer durch ein Wohnzimmer krachen will. Autobahnfahrten sind sehr gelassen aber meist etwas laut.

Ein kurzer Ausflug ins Grüne mit allen Allrad-Knöpfen gedrückt beweiste, daß der G-Wagen hier Zuhause ist und viel, viel mehr erobern könnte als was ich ihm servierte. Achsbewegung und Federwege sind nicht besonders und die glänzenden Trittbretter unseres Testwagens trugen schon schwere Kriegswunden.

Ein paar Tage zuvor hatte eine Bekanntschaft mit dem Kopf geschüttelt: “Den würde ich nie ins Gelände nehmen” und wiederum war das totaler Blödsinn. Der G ist eine Legende. Er mag zu teuer sein aber er kann blitzeblank im Rap Video rumschleichen oder den Van Zyl’s Pass erobern. Unglaublich.


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