Testfahrt: Land Rover Defender 110 Heritage Edition

Der legendärische Muffel

Dieser Artikel sollte der einfachste und kürzeste Text meiner Karriere sein, aber das besagte Fahrzeug weckt so starke Gefühle, daß mein Bericht vielleicht zum Roman werden könnte. Worum handelt es sich hier? Ganz einfach, dem legendären Land Rover Defender; hier als letzte 110 Heritage Edition.

Als Autojournalist kann ich Ihnen mitteilen, daß die Produktion des Defenders im Dezember 2015 geendet hat weil der ur-alte Brite bei Sicherheits- und Umwelt-tests nicht mehr mithalten konnte. Seine Konstruktion war ebenso altmodisch sodaß man eigentlich „Auf nimmer Wiedersehen“ tippen sollte.

Aber. Bevor ich ein paar Sätze über dieses letzte Modell schreibe, muß ich zugeben, daß mir der Defender sehr ans Herzen gewachsen ist. Für ein paar Jahre besaß ich sogar selbst einen. Das heißt, das ich einer dieser Verrückten bin, die alle angeblichen Zicken des Engländers in Kauf genommen hat.

Über die Jahre habe ich aber auch eine Liebe zu Land Cruiser und Mercedes Geländewagen entwickelt – zwei gute Beispiele was passieren würde, wenn jemand anderes den Defender gebaut hätte. Warum habe ich dann den Rover bevorzugt und über einer Oel-tropf-wanne vor meinem Haus geparkt?

Also, ich hab’s schon mehrmals erwähnt und wiederhole mich gerne bei den vielen Veranstaltungen, wo Landy-Spott und Couch-Trainer sich abwechseln. Ja, Defender sind sehr launisch aber in den sechs Jahren mit meinem Exemplar hat er mich ein Mal hängen lasse. Mein Deutscher Luxuswagen blieb drei Mal stehen…

Es ist schon etwas dran – an den unzähligen Witzen über Bus-tabellen, geheitzte Heckfenster und gratis Hunde, denn die meisten Defender haben immer irgendein Weh-Wehchen – meistens elektrische. Sie bleiben aber ungern stehen, humpeln oft weiter und brauchen meist nur einen guten Werkzeugkasten.

“Warum kaufst Du Dir ein unzuverlässiges Fahrzeug?“ ist die Lieblingsfrage, die ich gerne mit „Harley Davidson“ oder „Alfa-Romeo“ beantworte. Meist altmodische und/oder  unterlegene Produkte, die eigentlich kein Platz im modernen Markt mehr haben, aber eine riesen Fan-gemeinde genießen.

Auch schon bekannt – wenn Sie von einem Defender (oder Alfa) träumen, kann nichts anderes Ihr Verlangen stillen. Noch nie hat mich jemand um Rat gefragt, ob es ein Cruiser, G-Wagen oder Defender sein soll. Sie schleichen sich meistens an und flüstern „Ich denke daran, mir einen Defender zu kaufen.“ Ja, tun Sie es.

Es macht auch nichts, welchen Jahrgang Sie wählen weil die einzigen Verbesserung seit der Defender Geburt in 1983 ein paar Motoren und minimale Kosmetik waren. Die Vorgänger „Series“ Modelle sehen auch sehr ähnlich aus, somit verwechselt der Laie diese 2015 Version auch mit dem Urgroßvater von 1947.

Um endlich diese limierte „Heritage“ Auflage zu beschreiben, sie basiert auf dem 2.2 Turbo-Diesel Defender 110 und zeigt nostalgische Akzente. Nicht zu übersehen, die „Grasmere“ grüne Farbe, wie auch die schwerlast-Stahlfelgen, altmodischen Abzeichen, zweifarbigen Sitzen und HUE166 Kennzeichen – das Nummernschild des ältesten Landy.

Die zwei gemütlichen Vordersitze sind durch ein großes Schließfach mit zwei Getränkehaltern getrennt. Mit dabei, ein Alpine Subwoofer und „modernes“ Radio, sowie basische Ventilation und Klima-anlage, ein paar Knöpfe, Haltegriffe, schlichte Instrumente und ein riesiges Steuerrad mit dem einzigen Airbag im Wagen.

Leider verschwanden die typischen Luftschächte schon vor Jahren. Andere Vergleiche zu meinem alten Defender sind die gleichen Ganghebel, schlecht platzierte Handbremse und eingeschränkte Sicht für lange Passagiere im Fond. Neuheiten sind (vordere) elektrische Fenster, ABS, ASR und Zentralverriegelung.

Dieses Modell hat auch faltbare Hintersitze und zwei herrausnehmbare Notsitze in der Ladefläche. Das Reserverrad auf der Hintertür raubt immer noch jegliche Sicht, viele der Türangeln und Schaniere sind unverschämt sichtbar, die Hupe ist nicht wo man sie erwartet und die Teppiche sehen zäh aus.

Ein weiblicher Gast in meinem Testwagen bemerkte die Abwesenheit von Schminkspiegeln aber hatte keine Antwort auf die Frage warum man das in der Kalahari benötigt. Und das brachte uns auf den idealen Zweck dieses Fahrzeugs – die freie Natur. Das ist wo der Wagen sein möchte und, mal ehrlich, wo er hingehört.

Defender Fahren in der Stadt ist ein Alptraum. Die Gänge sind zu kurz, die Kupplung zu straff, die klobigen Reifen sind unheimlich laut, der Wendekreis ist furchtbar und die Straßenlage erschreckend. Es gibt kaum Platz für Ihre rechte Schulter, es sei denn Sie öffen das Fenster, verlassen die Stadt und sausen durch den Dreck.

Wirklich – ein Defender liebt Schmutz; trotz seiner fraghaften Isolierung. Wir kraxelten auf einen Berg in Stellenbosch für diese Fotos und alle fühlten sich wohl. Vor allem der Defender. Meine abenteuerlustige Gattin erinnerte sich, wie wir unserem Landy Schlammbäder gaben um ihn hübscher zu machen; bis die Hupe und Scheibenwischer den Geist aufgaben.

Um diesen Text sanft zu beenden, fasse ich langsam zusammen. Der Land Rover Defender ist veraltet und stur. Wenn Sie ihn nicht mögen, flehe ich Sie an, keinen zu kaufen und (wenn’s sein muß) die selben blöden Witze zu erzählen. Sollten Sie einen begehren, bereiten Sie sich auf ständige Übung vor und kaufen Sie einfache Werkzeuge.

Beeilen Sie sich aber um schnell eines dieser letzten Modelle zu bekommen, selbst bei N$730,000. Ein enger Verwandter von mir – der stark am Landy Fieber leidet – hat zwei gekauft. Warum? Weil dieser legendärische Muffel endlich weg ist und, wie jeder Defender Besitzer vor Ihm, konnte Er nicht ohne den Defender leben.


Bilder

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