Testfahrt: Land-Rover Defender 110

Das schreckliche Spielzeug

Wie gewohnt beginnt mein heutiger Bericht über den Land-Rover Defender 110 mit einem Geständnis: ich bin stolzer Defender Besitzer. Somit forderte ich meine Kollegen auf, den kantigen Brite zu testen, doch da alle etwas beschäftigt waren, werde ich es so objektiv und vernünftig wie möglich machen.

Erstens: ich erkläre Leuten schon seit Jahren, daß Defender die vierrädigen Gegenstücke zu Harley-Davidsons sind. Motorisierte Dinosaurier, die sich seit Dekaden kaum verändert haben. Laut, langsam, undicht, gehasst und verspottet von der Konkurenz, verehrt von Ihren Besitzern.

Wenn Sie Defender nicht mögen oder verstehen, sind es die schlimmsten Fahrzeuge auf unserem Planeten. Sie dürfen gerne etwas anderes Lesen. Aber wenn Sie (wie ich) eine unerklärliche Anziehung zu den Aluminiumplatten haben, gibt es nichts besseres. Nichts.

Die Bekanntschaft spottet gerne über Blechabstände die man aus dem Weltall sehen kann, oder die geheizte Hinterscheibe, die beim Schieben die Hände wärmt. Ich habe aber furchtbar schlechte Nachrichten für die Kritiker: in meinen 33 Jahren bin ich erst zwei Mal mit einem Landy stehengeblieben, zwei Mal weniger als in Deutschen Autos.

Bevor meine Leser mich ermorden, muß ich dazutippen, daß jeder Defender nie im perfekten Zustand war. Etwas ist immer kaputt und eine Reperatur beginnt die nächste (meistens elektrische) Krankheit. Das erlaubt Ihnen aber um an, seien wir mal ehrlich, dem größten Spielzeug der Welt zu schrauben.

Und genau wie eine Harley sind keine zwei Defender jemals identisch, nicht nur wegen der fraglichen Bauqualität. Neue Besitzer bestücken und verbasteln sofort Ihren neuen Tonka Spielzeuglastwagen. Ich hoffe diese Paragrafen erklären was ein Land-Rover Defender ist.

Er ist ein großes, klobiges, unkompliziertes Werkzeug. Er diehnt nur einem Zweck und ignoriert alles andere wie eine sture Zange. Obwohl er heutzutage Klimaanlage, ABS, Antriebsschlupfregelung und ein CD/radio mit AUX Schnittstelle hat, ist er immer noch ein simpler Schraubenschlüssel. Elektrische Fensterheber, Alarm und Zentralverriegelung sind Extras.

Europäische Gesetzgebung und neue Indische Besitzer versuchen den Defender aufzufrischen mit einem neuen 2.4-Liter 90kW (122PS), 360Nm Turbo-Diesel Motor. Ich befürchte aber, daß des Motors Bestehen auf 50ppm Diesel den Fußgänger- und Passagier-unfreundlichen Riesen umbringen wird, bevor es die Fahrrad- und Sandalen-Liebhaber schaffen.

Im tiefen Afrika bekommt man kaum 50ppm Diesel, somit muß man zusätzliche Tanks einbauen oder die nächste Safari sehhhr vorsichtig planen. Landy Besitzer werden die erste Aufgabe lieben, die zweite nicht. Defender gehören nicht in die Stadt, sie passen kaum in Parklücken oder Tiefgaragen und sind – hier kommt es – absolute schrecklich zu Fahren auf Asphalt.

Der Fahrer hat kein Platz für den rechten Arm. Das Steuerrad ist zu groß und zu niedrig, und nicht verstellbar. Der Motor ist beinahe so laut wie die klobigen Reifen, es geht erschreckend langsam voran, die Kupplung ist hart, die Gangübersetzung zu kurz für Verkehr, die hintere Sicht ist furchtbar, Drehkreis und Wasserdichtung ähneln der Titanic.

Der neuste Defender bietet 60/40 faltbare Rückbank, zwei extra Hintersitze, Seitentreppen, ein großes mittleres Handschuhfach und viele Bolzen, Scharniere, nacktes Metall, Gummimatten und herrausnehmbare Teppiche zum Abspritzen. Er hat über zwei Meter und 1.5 Tonnen Ladekapazität und eine verstellbare Anhängerkupplung mit 3.5 Tonnen Zuglast.

Straßenlage und Bremsen sind absolut furchterregend, von Komfort ist kaum zu sprechen, der Innenraum sieht unfertig aus; der Defender schwankt, rappelt und zappelt viel, hat einen beachtlichen Getriebestoß, nur einen Airbag, ein sehr schwaches Dach, trinkt im Schnitt 11L/100km und überschreitet ungern 110km/h.

Aaaber. Ein Defender hat vorzügliche Bodenfreiheit, fantastische Ansatzwinkel, solide Achsen, einen Stahlrahmen und eine Stahlstoßstange, zentrale Differentialsperre, zwölf Vorwärts- und zwei Rückwärtsgänge. Ich würde ihn nicht als besten Allradwagen der Welt beschreiben, aber der Defender ist mit unter den Besten und wird mit einem geübten Fahrer kaum zu stoppen sein.

Man ziehe an dem kürzeren Ganghebel und ein mechanisches Wunder geschieht. Eins der furchtbarsten Autos wird eines der Besten. Heulendes Metall und wahnsinnige Reifenartikulierung bieten Ihnen erstaunliche Haftung und unmengen dreckigen Spaß. Und plötzlich ignoriert man den Drehkreis und den rechten Arm.

Mist. Vielleicht war ich nicht total objektiv, aber dieses ist der wahre Zweck eines Defenders, sein einziger Beruf und der Grund warum ich mir einen kaufte. Egal wie schlecht meine Laune ist, die eigensinnige und einseitige Haltung des Landy’s verwandelt mich immer in einen kichernden Schuljunge. Garantiert.

Er dient auch als eine riesige, kantige Löschtaste für meine Erwartungen zwischen Testwagen. Dazu kommt noch, daß jeder andere Defenderfahrer (und gelegentlich eine Harley) einem zuwinkt, niemand wagt einen Defender im Verkehr abzuschneiden, und die Türschaniere als Bieröffner dienen.

Preise für den 5-Türer Defender 110 beginnen ab N$369,995. Sie können sich aber auch gerne ein 10 oder 20-Jahre-altes Modell zulegen, denn niemand außer ein Landy-Fan wird es bemerken. Der Defender ist zeitlos, grob, ulkig. Ein schreckliches Auto, daß, für ein paar Verrückte wie mich, das größte und beste Spielzeug je ist.


Bilder


Leistung

0-10km/h:    0.4s
0-20km/h:    1.0s
0-30km/h:    2.8s
0-40km/h:    3.8s
0-50km/h:    5.8s
0-60km/h:    7.5s
0-70km/h:    9.1s
0-80km/h:    12.1s
0-90km/h:    14.6s
0-100km/h:    17.9s
0-110km/h:    23.5s
0-120km/h:    29.3s

0-100m:        8.5s / 65.3km/h
0-200m:        13.1s / 83.9km/h
0-300m:        17.0s / 97.5km/h
0-400m:        20.5s / 104.3km/h

Top:        121km/h
V-max:      Nein

0-60mph:    16.7s
1/4 Meile:    20.6s @ 64.9mph (104.4km/h)

===== NOTIZEN =====

Temp       16°C
Klima     Kühl, bewölkt, windig
Höhe    101m
Straße        Trockener Asphalt
Besatzung  Fahrer, keine Passagiere
Kraftstoff    3/4 Tank

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