Der gepfefferte Liebling
Zum ersten Mal konnte ich einen englischen Bericht nicht direkt auf Deutsch übersetzten, denn der Grund dafür ist ausserhalb dem Süden Afrikas kaum bekannt. Naja, bekannt vielleicht schon, aber in allen Ländern ausser dem bildhübschen unteren Afrikas so gut wie vergessen.
Es handelt sich natürlich um den Citi Golf, eine Billigversion des Golf 1, den die eifrigen Fritzen in Uitenhage gnadenlos bis ins neue Millenium weiterbauten. Golf 2 und seine Nachfolger standen auch in Südafrika brand-neu bei den Händlern, aber nebendran parkte immer der Vorfahre im neuen Gewand – Citi Golf.
Über drei Jahrzehnte wurden dem alten Kerl grelle Farben, moderne Stoffe und coole Namen aufgedrückt bis die Abwesendheit von Sicherheits- und Luxus-ausstattung ihn spät 2009 endlich in Rente schickte. Der Citi Golf, eine südafrikanische Legende, war nach einem langen und traurigen Abschied eingeschlafen.
Kaum ein anderer Wagen hatte so viel Erfolg und Leidenschaft erziehlt – der billige Flitzer war Mietswagen und Studentenliebling, Ampelrenner und Mama’s erstes Auto. Mein ganzes Gedächtniß ist bestückt mit den bunten Varianten des Citi: Sport, Designa, CTi, Chico, Shuttle, VeloCiti und Rox.
Die Konkurenz hatte nicht geschlafen und der Citi zog eventuell eine ganze Welle von aufgewärmten alten Bekannten hinter sich her – der Toyota Tazz (Corolla Stufenheck der 80er), Mazda Midge (323 ähnlichem Alters), Ford Meteor (Escort) starben alle vor dem erfolgreichen Volkswagen.
Toyota setzt heutzutage auf neue Produkte wie Aygo und Yaris aber Ford bietet den Figo an; den vorigen Fiesta. Chevrolet hat einen billigen Spark und die Verkaufsziffern dieser Kleinwagen beweißt den südafrikanischen Heißhunger auf erschwingliche Autos, selbst wenn sie aufgewärmte Überreste sind.
Somit mußte Volkswagen Südafrika schnellstens einen Nachfolger für den Citi Golf finden und zugleich die Sicherheit und anderen Mängel ansprechen. Diese Gelegendheit kam dann endlich mit der Vorstellung des neuen Polos, kurzum wurde der vorige Polo zum Polo Vivo.
Die Fabrik in Uitenhage behielt alle Pressen und baut heutzutage brand-neue Polo Vivos in 3-Tür oder 5-Tür Ausführung mit zwei Ausstattungen und zwei kleinen Benziner Motoren. Bis zu 70% des Wagens wird örtlich gebaut (oft in unmittelbarer Nähe der Fabrik) und macht den Polo Vivo zu noch einem echt-südafrikanischem Wunder.
Der Citi Golf würde stolz sein. VW’s voriger Polo war sehr beliebt in Südafrika und ein paar Sparmaßnahmen machen den neuen Vivo zu einer schmackhaften Verführung. Der kleine Vau Weh ist günstig, unkompliziert und lebhaft. Moderne Autos betäuben und verdecken oft das Fahrgefühl, aber nicht der Vivo.
Vor allem diese neue “GT” Variante: man nehme die 3-Türer Form und drücke den größten Vivo Motor hinein, dann ordentlich verzieren. Tieferlegung, GT Abzeichen, Heckflosse, zwei Chrom Auspuffrohre, glänzende Mittelkonsole und blut-rote Sicherheitsgurte, Nähte und Sitzmuster unterscheiden diesen Vivo von einem Avis Auto.
Er hat auch zwei Airbags, ABS und EBD, verstellbares Lederlenkrad, Servolenkung, elektrische Fenster vorne, Klima-anlage, Alarm und Wegfahrsperre, fernbediente Zentralverriegelung, 15-Zoll Leichtmetall-felgen und ein einzel-DIN CD/mp3/Aux/Bluetooth Radio.
Die Außenspiegel werden noch per Hand verstellt; das spart Geld. Das Lenkrad hat keine Knöpfe für Radio & Co., es gibt keinen Tempomat oder doppelte Fensterheber, aber daran gewöhnt man sich. Die Bauqualität ist nicht ganz auf dem heutigen VW Standard – das passt aber auch für einen Preis von nur N$155,320.
Ein Polo Vivo GT fährt sich beinahe wie ein lau-warmer Citi Golf, das müssen Sie mir wohl jetzt glauben. Die Sitze bieten guten Halt, die Kupplung fässt sehr hoch, der Ganghebel sitzt etwas tief, die Straßenlage ist straff und munter, der Motor brummt, der Auspuff faucht, und die Instrumente sind tagsüber kaum lesbar.
Die Federung ist etwas hart aber berechenbar, Leistung ist kaum atemberaubend aber jedenfalls genügend und unterhaltsam. Genau wie Opa Citi verbrennt der Vivo GT gerne Gummi und untersteuert wie verrückt wenn man ihn reizt – hier gibt es kein ESP, das einem die Erklärung vor’m Papa spart warum drei Felgen verbogen sind.
Der 1598ccm 16-Ventiler Benzin-einspritzer produziert 77kW (105PS) oder 155Nm auf eine grade, aber etwas grobe Art. Durchschnittsverbrauch liegt bei 6.6L/100km und CO2 Ausstoß bei 157g/km. Der Benzintank hält 45L, der Kofferraum 270L (635L ohne die hintere Rückbank) und ein Vivo GT wiegt nur 1089kg.
Somit schafft er den 0-100km/h Spurt in 10.6 Sekunden und erreicht maximal 187km/h – mehr als genug für einen jungen, eifrigen Fahrer. Ein paar Vivo GT’s werden bestimmt weiter aufgemotzt, aber selbst ein fabriksneuer Wagen hat eine überzeugende Mischung von Ausstattung, Preis und Fahrspaß.
Er ist zwar der teuerste Vivo aller Zeiten und sein Name macht überhaupt keinen Sinn, aber ich mag’ diese gepfefferte Version eines langweiligen Billigproduktes. Wo kann man noch einen alten Liebling mit vertrauter Technik und einem Schuß Spaß kaufen? Ich liebe Südafrika.